Bericht: Frauen-/Mädchen-Lehrgang mit Kazuko Kumpf

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Kazuko Kumpf (© Miyoko Ota)

Schnick, Schnack, Schnuck mit Kazuko Kumpf / 7. Dan Renshi

Ein Frauenlehrgang mit viel Spaß

Text: M. Brzezinka, das Interview wurde aus dem Japanischen frei übersetzt 

Auf gendergerechte Sprache ist bewusst verzichtet worden, da es dies im Japanischen nicht gibt und um die Leserlichkeit nicht zu behindern. 

Am 1. Und 2. Juli fand das erste Frauenseminar mit Kazuko Kumpf in Berlin, Kreuzberg statt. 26 Teilnehmerinnen vom 6. Kyu bis 5. Dan aufwärts waren dabei. Alle kamen auf ihre Kosten. Spielerische Elemente, wie Schnick, Schnack, Schnuck während die Teilnehmerinnen lächelnd die Kilometer bei der Fußarbeit reißen, waren ein Teil davon. 

Aus diesem Anlass führte Mika Brzezinka ein Gespräch mit Kazuko Kumpf während Miyoko Ota um das Gespräch herum die Fotos aufnahm. Vielen Dank an alle Beide, besonders für das viele Lachen! 

Kurzportrait Kazuko Kumpf

 „Es gibt doch viel Bessere als mich, um ein Kendoseminar zu geben“, sagt sie sehr zurückhaltend, als sie gefragt wird, ob sie für den Berliner Kendoverband einen Frauenlehrgang anbieten könne. Dabei gehört sie mit Dance Yokoo zu den ersten in Deutschland Kendo – praktizierenden Frauen, die in Japan auf Anhieb den 7. Dan besteht und davon kein Aufheben machen möchte. Am liebsten möchte sie unaufgeregt weitertrainieren wie bisher. 

Schätzungsweise 800 bis 900 Anfängern hat sie, seit sie in Deutschland lebt, die Basics des Kendo beigebracht, leitet das Kinderkendo  und die Anfängerkurse bei Katana Frankfurt, ist Schatzmeisterin, Bundes- Kampfrichterin und übernimmt sonst auch viele Kendoaufgaben, so dass man ihr es ganz sicher nicht abnimmt, wenn sie aus tiefster Überzeugung sagt, dass wenn sie mal in Kendorente gehen würde, sie sich einen Hund zulegen würde, denn was wäre Kazuko mit Hund: Kazuko ohne Kendo und das deutsche Kendo ohne Kazuko?

Wie ein roter Faden begleitet Kazuko das über die Kontinente -Ziehen und irgendwo Ankommen. Mit zwei Jahren zieht sie mit ihren Eltern in die USA, wo sie, nachdem sie endlich Englisch sprechen konnte, wieder nach Japan umgezogen wird und sich in das japanische rigide Schulsystem einleben muss. Kendo ist ein starker Halt, das ihr das Gefühl gibt: „Hier finde ich Freunde- hier bin ich zu Hause“. Das hat sich bis heute nicht mehr geändert. 

Nach über fast 30 Jahren in Deutschland ist Kazuko davon überzeugt, dass ihr Kendowerdegang nur außerhalb von Japan so intensiv verlaufen konnte- denn in Japan wäre sie nie in die Versuchung gekommen, diese enormen Verantwortungen, die sie heute in Frankfurt und in Deutschland trägt, auszuführen. 

Kendo ist ein Sport, bei dem man seine ganze Unzulänglichkeit mit Wucht erfahren kann. Was ist das Wesentliche, was dich beim Kendo antreibt und motiviert?

„Ich bin ein schüchterner Mensch- ich würde mir ohne Kendo gar nicht zutrauen, jemanden direkt in die Augen zu blicken. Ich blicke beim Kendo in die Augen des Gegenübers und lerne ihn über Kendo kennen, dadurch kann ich meine Schüchternheit überwinden und mit Menschen sprechen. Freunde und Freude motivieren mich, beim Kendo Anstrengungen auf mich zu nehmen und Krisen zu überstehen.

Vor der 6. Dan Prüfung habe ich mir beispielsweise einen enormen Druck gemacht und habe mit mir gerungen. Meine Gedanken kreisten immer wieder um das Erreichen des nächsten Dans und dass ich ein Vorbild zu sein hätte. Ich entfernte mich immer mehr von meinem eigenen Ideal. Ich eiferte einem Ideal nach, welches ich gar nicht erfüllen konnte- ich wollte Kendo machen wie berühmte Kendokämpfer oder jemand anderes. 

Irgendwann, nach dem ich mit vielen Anläufen den 6. Dan geschafft hatte, kam mir die Eingebung, dass es um die Begegnungen geht, dass es um den Moment geht, in dem ich mit jemanden Kendo mache. Das hatte ich völlig aus den Augen verloren, als mein alleiniges Ziel der 6. Dan wurde und meine einzige Sorge war, wie ich nach Außen wirke und was ich zu tun hätte, um die Prüfung zu bestehen.  

Es geht nicht darum, dass nur ich besser werde- es geht doch vielmehr darum, wie ich mich mit dem Gegenüber verbinde. Egal ob mein Gegenüber ein Anfänger ist, Kohai, Sempai oder ein Sensei, ich versuche mit demjenigen gutes Kendo zu machen. Seitdem macht Kendo viel mehr Spaß. Um mein eigenes Kendo zu verändern, braucht es manchmal nur das Ändern der Einstellung, des Gefühls.

Mein Motto heute: Lass uns eine gute Zeit verbringen bei unserem Keiko! Wenn es diesmal nicht so gut klappt, dann eben das nächste Mal! Das befreit mich vom Schubladendenken und Voreingenommen sein und Ängsten, die mein Selbstbewusstsein untermauern und mir immer wieder zuflüstern: „Oh- das ist ein schwieriger Gegner, das schaffe ich nicht, ich bin zu schlecht!“ 

Ich möchte mich und das Gegenüber so, wie wir sind akzeptieren. Ich akzeptiere, dass es nicht darum geht, ein Kendo zu machen, wie eine andere Person und einem Ideal hinterher zu träumen, welches ich mit meinen Fähigkeiten nicht erreichen kann.“

Frauen und Männer trainieren meistens zusammen. Ist es wichtig, getrennt zu trainieren? Was sind die idealen Bedingungen, unter denen Frauen stark werden können? 

„Ich hatte nie das Bedürfnis, dass ich explizit Frauentraining haben wollte. Ich war immer zum Glück in einer Umgebung, in der Frauen gut trainieren können. Die ideale Kendoumgebung für Frauen sind sicher weibliche Sempai, gute weibliche Vorbilder, die in der Lage sind, auch mit Männern gut zu kämpfen und hervorragende Motodachi, die wissen, wie man sich an das ( weibliche) Gegenüber anpasst. Das alles hatte ich in Frankfurt und in Japan in meiner Schule und an der Uni. 

Ich denke bei Kyuträgern kann man bei Wettkämpfen nach Geschlechtern trennen, da viele Anfänger die Schläge mit zu viel Kraft ausüben. Danträgerinnen können dann sehr wohl mit guter Technik gut gegen Männer kämpfen. 

Manchmal brauchen junge Mädchen Eins zu Eins Betreuung, bei der sie ihre Angst vor schmerzhaften Schlägen verlieren und sich trauen, mit den Jungen Kendo zu machen. Da muss man als Trainer Zeit investieren und viel Geduld aufbringen.

Es gibt viele, die nicht wissen, wie man mit Kindern, Anfängern oder mit Frauen Kendo macht. Das müssen sie erst lernen und die Trainer sollten ihnen dies auch mit besonderem Augenmerk beibringen. Es ist wichtig, dass man ihnen erklärt, wie man ein effektiver Motodachi ist. Hier fehlt manchmal das Wissen, das viele japanischen Kendoka haben, da die meisten in Japan mit guten Motodachi aufgewachsen sind und dies am eigenem Leibe erfahren haben. Wer gut ist als Motodachi ist auch meistens ein sehr guter Kendokämpfer. Ein guter Kendoka mit hohem Level kann und muss sich an das Gegenüber anpassen können.“

Berlin, 1. Juli 2023